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heute vor einem Jahr

28. Oktober 2018
Sekundärer Antisemitismus ist in Deutschland sehr verbreitet. Sein rechtsextremistisches Credo ist die versteckte Judenfeindlichkeit, die Leugnung oder Relativierung des Holocaust. „Es muss doch einmal vorbei sein dürfen“ der beliebteste Slogan seiner Vertreter. Die fatale Verdrängung der immensen Schuld des eigenen Landes zeigt sich im Judenhass nicht trotz sondern wegen Auschwitz. Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nicht verzeihen. (Zivi Rex, israelischer Psychoanalytiker).
Aus der Forderung nach einem Schlussstrich ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen dem Wunsch zu vergessen bzw. nicht erinnert zu werden und der beständigen Konfrontation mit den deutschen Verbrechen ein neues Vorurteilsmotiv, das sich zum Teil in der Form revitalisierter traditioneller Vorwürfe an die Juden äußert (Rachsucht, Geldgier, Machtstreben). Werner Bergmann und Rainer Erb.
Es liegt mir heute daran, diese Tatsachen als ein Tagebuchblatt zu notieren, da es immer offensichtlicher wird, wie sich die Verbreitung des Sekundären Antisemitismus bis in nahe Kreise hinein einnistet. Es schaudert mich, wie auch uns nahestehende Personen solche oder verwandte Auffassungen in unserer Gegenwart hemmungslos äußern, ja sich maßlos überheben und zu herber Konfrontation mehr als bereit sind.

28. Oktober 2019
Zunächst eine Ergänzung zum Eintrag oben:
Der sekundäre Antisemitismus ist eine transformierte Form der Judenfeindschaft. Die Deutschen trauen sich nicht mehr, ihre tiefe Ablehnung jüdischer Menschen deutlich zu zeigen, Hass, Neid und Rachsucht zu äußern und finden dafür nun versteckte Formen; z.B. wird zugunsten von Abwehr und Verdrängung der deutschen Schuld häufig eine perfide Verdrehung des Täter- Opfer- Motivs vertreten. In diesem Zusammenhang vernehmen wir auch eine obsessive Israelkritik, die in ihrer selbstgerechten Brutalität so schrecklich gut zu einem zunehmend unhöflichen bis ungezügelten Verhalten im öffentlichen Raum passt.
Das Tagebuchblatt von 2018 fiel mir heute in die Hände und ich möchte es in dieser erweiterten Form ins Netz stellen. Es hätte ebenso heute notiert werden können. Weil es mir nicht nur ein Bedürfnis ist, meinen Unmut zu äußern, sondern weil ich es als meine Pflicht als Deutsche sehe, dieser mich bedrückenden Beobachtung Ausdruck zu verleihen, die sich zu einer bedrohlichen und nicht mehr zu leugnenden Tatsache ausweitet. Nahezu täglich wird in irgendeiner Form, wenn auch nur in kurzen Beiträgen mit höchstem Engagement auf dem kleinen Staat Israel herum gehackt. In den Nachrichten, den Kultursendern, in Gesprächen mit Verwandten, Freunden und Nachbarn, beim Einkaufen und in Gaststätten kannst du leicht Zeuge werden von diesem grauenvollen, verschlagenen Phänomen, hinter dem ein furchtbarer Hass lauert, der auf Auslöschung aus ist. Wieso mischt man sich in die Belange eines derart kleinen Landes ein, das sicherlich, wie ja bereits nahezu alle europäischen Länder, Strukturen diverser politischer Richtungen aufweist und regt sich nicht lieber über die Unterlassungssünden des eigenen Landes auf, z. B. hinsichtlich der ertrinkenden Menschen im Mittelmeer, der katastrophalen Zustände in den europäischen Auffanglagern und über vieles andere, das die Menschheit und die Erde durch eigenes, bewusstes Versagen in den Ruin treibt? Trotz des Holocaust ist Israel für die Welt wieder der Jude unter den Staaten. Wir Deutschen aber haben keinerlei Recht, egal unter welchen Umständen, auch nur ein einziges Wörtchen einer wie auch immer gearteten Kritik an Israel zu üben!