Tagebuchblatt Ostern 2021
EASY GOING
Unter Tilgung [zu Ende zu führende oder noch zu verfassende Texte] notierte ich mir einst:
easy- going, aus den U.S.A. importiert und zum eigenen Schrecken verwandelt.
Heute will ich es endlich versuchen, einen Text zu easy- going zuverfassen. Immer wieder der Gedanke. Und jenes Bild. Seit mittlerweile 53 Jahren geht mir ein bestimmtes kleines Erlebnis nicht aus dem Sinn. Ich möchte das Drängen in meinem Innern tilgen, schreibend. Eine enorme Unruhe, wohin dies mich führen wird. Es wird sich zeigen, warum gerade jetzt, nach dem einschneidenden Jahr 2020, im März 2021 der Ruf nach einer betrachtenden Abhandlung dieser Begebenheit mich mahnt.
easy- going 1
Im Juli 1967 packte ich einen kleinen schwarzen Lederkoffer und reiste für drei Monate in die Vereinigten Staaten. Allein. Auf Messen hatte ich mir einiges Geld verdient, eine dreiwöchige Überfahrt auf einem Bananenfrachter mit 12 Passagieren wurde mir spendiert. Klar, ohne Handy; aus zeitgemäßer Überzeugung ohne Kamera. Mit zwei Adressen westlich und östlich in den U.S.A. und einem Busticket •99 Dollar 99 Tage• machte ich mich auf. Seltsamerweise hatte ich keinerlei Bedenken und auch keine Angst. Wir waren so damals, unerfahren, anspruchslos, neugierig, cool. In Alabama stieg ich in meinen ersten Bus nach New-York-State. Die Busse waren in der Zeit noch für Schwarze im vorderen Bereich gesperrt. Allerdings pulsierte hinten das Leben, es wurde gelacht, vorn war es kühl. Auf einem Hof war ich von wohlhabenden deutsch-amerikanischen Freunden meiner Eltern eine zeitlang gern gesehener Gast. Hier ereignete sich nun die kleine Szene:
Tante Ba, waschechte Amerikanerin mit dem warm klingenden Akzent, kam eines Tages vom Einkaufen zurück. Die Sonne schien. Alles war hell. Und groß. Mit riesigen Tüten aus braunem Pack-Papier [Es gab zu der Zeit in Europa noch keinerlei Einkaufstüten o.ä.] entstieg sie ihrem breiten langen offenen Wagen. Alle Frauen hier besaßen einen solchen Schlitten, auch die Putzfrau. Mir schwindelte ein wenig; easy- going? Locker eilend brachte sie ihren Einkauf in die weiträumige Küche. Das meiste wanderte unbesehen in den großen Kühlschrank, auch das Brot. Dann entnahm sie ihrer Umhängetasche eine kolossale Geldbörse und ein lärmendes Schlüsselbund, ging zum Ascheimer und warf die leere Lederhandtasche in den Müll. Einfach so. Ich war sprachlos und ungemein verwundert. Warum nur entsorgte sie ganz entspannt ihre Handtasche? Ich fragte vorsichtig nach und sie meinte wie nebenbei so gänzlich ohne das leiseste Zögern: „It’s broken.“ Halbwegs mir zugewandt lächelte sie kurz und verschwand. Ja, ich hatte es kurz bemerkt, dass der Trage-Riemen gerissen war. Wie vom Blitz getroffen stand ich da und schwieg.
[Die Zeit unserer Jugend im Nachkriegsdeutschland war durch Achtsamkeit, Bescheidenheit und Sparsamkeit geprägt und es wäre für mich ein normaler Vorgang gewesen, mit diesem kleinen Malheur zum Schuster oder zum Sattler zu gehen. Wegwerfen? Undenkbar!]
Wie arglos sie mit vielem umgingen. Alles wirkte selbstverständlich und richtig, einfach weil es eben so war. Wenn ich hin und wieder Einwände dazu machte, wurde mir amüsiert bescheinigt: „You Germans are so complicated.“
Ein weites Land mit ewig langen Straßen und sich ausdehnenden Ebenen. Einen Tag im Bus durch den mittleren Westen und ich fragte mich, warum wir Europäer nicht am Wochenende einmal kurz nach Spanien führen. Die überwältigenden Megastädte mit ihren hohen, schwerelosen Architekturen, Galerien und Museen faszinierten mich. Der Grenzenlosigkeit der Räume entsprach eine scheinbare Leichtigkeit des Seins. Immer von Neuem überkam mich ein noch nie zuvor erlebtes Staunen, eine Reaktion in Sprachlosigkeit auf das easy- going. Die Luftigkeit der enormen Glasarchitekturen auf der Weltausstellung in Montreal, Kunstwerke im Megaformat, die hoch geschichteten Club-Sandwiches, gigantische Hamburger, Soft-Getränke auf zerstoßenen Eismengen in XXL Pappbechern, die man nach dem Trinken einfach wegwarf, Cafeterias mit durchzuschiebenden, selbsttätig zu füllenden Tabletts…! Herrlich angenehm und zugleich so seltsam, easy- going. Mehrere Male war ich Zeuge von Leuten, die gerade ihren Beruf wechselten, einfach so. Vom Kaufmann zum Feuerwehrmann, vom Arzt zum Künstler u.a. m. [Welchen Kämpfen bei der Wahl/ der Erlaubnis eines Studiums oder eines Berufes unsere Generation zuhause ausgesetzt war!]
Die Bedenkenlosigkeit, mit der die Menschen mit all dem wie verwachsen umgingen faszinierte und verwunderte mich. Sie fragten nicht einmal nach meinem Anliegen in den Staaten. Ich ergab mich dem offenen scheinbar unproblematischen Leben, aber es schwelte bei all dem eine Empfindung undefinierbaren Unwohlseins. Besonders bei der Wahrnehmung der wie mir schien unterdrückten Bereitschaft über irgendetwas meiner Beobachtungen zu sprechen. [Hier spürte ich eine Verwandtschaft zur harschen Erziehung unserer deutschen Vätergeneration in Schule, Kirche und Familie]
Abendlich wurde auf dem Hof zur blue-hour aus gigantisch großen Gläsern Whisky getrunken. Alle gingen täglich blau zu Bett. Wo ich auch hinkam lief der Fernseher den ganzen Tag. Zu dieser Zeit wurde in Vietnam gekämpft. Der Sohn kam gerade aus diesem Krieg zurück und leerte täglich eine Flasche Whisky pur. „I learnt so much in this war.“ Direkt neben New-York City der für mich verbotene Central Park, die Slums, die bettelnden und vegetierenden Armen in den Straßen. Die Erfahrung des easy- going war gepaart mit der Entdeckung seiner Brüchigkeit. Kontraste. Verharren. Witterung von Gefahr. Gespür für Grenzüberschreitung. Auf dem Weg an die Westküste kam ich mit dem Greyhound durch Las Vegas. Nach einem an der Straße aufgereihten endlosen Schilderwald mit extrem großen Tafeln erblickte ich eine Stadt wie mitten in die Wüste hinein gewachsen. Es war Nacht und Ich traute mich nicht auszusteigen. Ein Lichtermeer ergoss sich gefächert über einer Art ausladenden Burganlage aus Beton. Trotz der fremden Strahlkraft wagte ich es nicht den Bus zu verlassen. Hier wurde die Entfesselung von easy- going sichtbar, fauchte mich an und drückte mich in den Bussessel. Eher dumpf beobachtete ich all dies, da ich ohne historisches, philosophisches oder kulturhistorisches Bewusstsein war.
[Unser Geschichtsunterricht endete beim ersten Weltkrieg, unsere Eltern haben geschwiegen, von den Lehrern und Pastoren hatten wir nichts wesentliches gelernt].
Das Gespür für eine Wahrnehmung erwachte in mir, das mich bei dem Genuss des easy- going immer zugleich auf seinen zweischneidigen Charakter verwies. Keine Freude ohne Schmerz, keine Helligkeit ohne Dunkelheit, keine Leichtigkeit ohne Gefahr. Die Empfindung für die Brüchigkeit von Wohlstand, Fortschritt, Wohlergehen und Genuss wurde mir in der Erfahrung des easy- going zu einem Art Raster. Mein Erleben, Erkennen und Verstehen von Welt fiel zukünftig immer wieder in dieses Raster. Das Substantiv ease bedeutet Entlastung, Bequemlichkeit, Entspannung; das Verb to ease kann neben mildern, erleichtern, beruhigen, lindern auch nachgeben, weichen und betäuben heißen. So witterte ich im easy- going neben seiner Qualität des milden Genusses angenehmer Leichtigkeit immer zugleich das Lauern einer unbestimmten Gefahr, der man sich gern hingibt und vielleicht allzu leicht aussetzt.
easy- going 2
– Wir lachen uns kaputt. Eine Anzeige nach der anderen aus dem Werbemagazin einer kostenlosen Postwurfsendung verschlägt uns die Sprache. Was für ein Unsinn, dieses Entgegenkommen, das mit Erleichterung begründet wird. So z. B. ein Kniepolster zur Entkrampfung beim Unkraut zupfen.
[Wir Kinder erhielten beim Löwenzahn- Stechen einen Pfennig pro Stück, nur wenn die Wurzel sehr lang war.]
– Der Streit beim gemeinsamen Fernsehen hat ein Ende. Wer steht auf und schaltet laut/leise? Wer steht auf und schaltet das Programm um? Wer steht auf und schaltet ein/aus? Ab sofort kein Zimmer mehr ohne eine Fernbedienung mit Batteriebetrieb.
[Ein kleiner schwarzweiß Sony-Fernseher mit Kabel und Antenne in kleiner Distanz vor mir auf einem Tisch oder Stuhl mit interessanten und amüsanten Sendungen auf drei Programmen begleitete mein Dasein über etliche Jahre.]
– Ein Mann spricht auf der Straße. Ist er krank? Nein, er telefoniert. Ich war erschrocken. Ein Handy. Nach Situationen höchster Aufregung über dessen Einsatz in Gaststätten, am Strand, in Berggaststuben o.ä. wurde das Handy in entfesselter Geschwindigkeit zur rechten Hand, wenn nicht sogar zur Seele des zeitgemäßen Menschen. Jeder, der es sich auch nur eben leisten kann, besitzt diese Geisel.
[Es gab in unserem Eltern-Haus nur ein Telefon im Flur, das die Kinder nicht benutzen durften].
[Auf der oben erwähnten Reise in die U.S.A. habe ich während der drei Monate keinmal telefoniert.]
– Ich brauche meine zu druckenden Matrizen mit angegebener Stückzahl für einen Klassensatz endlich nicht mehr beim Hausmeister einzureichen. Die Schule besitzt jetzt einen zusätzlichen Kopierer, den jeder Lehrer frei bedienen darf. Wie sehr angenehm!
[Das erwartete fehlerlose Tippen in 3-facher Ausführung mit Blaupapier, ehemals für Examensarbeiten und später für die Schüler-Klassensätze war für mich ewig ein Horror.]
Immer wieder erschrecke ich beim verschwenderischen Papierverbrauch. Auch vor mir selbst. Zugleich, wenn wir ehrlich sind, gibt es hin und wieder auch eine Art aggressiven Vergnügens bei Verschwendung. Ist hier möglicherweise ein projizierter Hass im Spiel, der auf Schaden aus ist? [s. später in EKIW.-)]
– Beim Entsorgen, Wegwerfen von Verpackungen überkommt mich zurecht das Gefühl eines groben Verschwenders, eines Mörders. Ich kann nicht ohne schlechtes Gewissen an den maßlosen Verbrauch von Verpackungsmaterial in unserer Zeit denken. Allerdings gibt es auch hier die Lust am Entsorgen, von der wir alle ergriffen sind. Ist auch hier möglicherweise ein projizierter Vernichtungswunsch im Spiel? [s. später in EKIW.-)]
[10 stabile Blätter der Firma Kastanie in Din A4 wurden, wenn sie aufgebraucht waren, in einem Buchladen mit einer kleinen Papierabteilung gekauft und dann in auf einer Pappe befestigte 4 schwarze Ecken eingelegt. Es war ein Fest, wie diese schneeweißen Blätter, die auf meinen Stift warteten, in ihrer Reinheit mir fast den Atem nahmen.]
– Die Jahre des Sperrmülls an der Straße an bestimmten Wochentagen, heute die großflächigen und differenzierten Sperrmüllzentren. Der Elektromüll in den armen Ländern. Kinder, die sich unter Lebensgefahr dort versuchen etwas Geld zu verdienen. Die Müllstadt vor den Toren Kairos.
[Ich kaufte mir unlängst einen neuen Laptop von Apple und ich spüre schmerzhaft wie ich, die schwebende Leichtigkeit der Tastatur genießend, am Morden der Erde beteiligt bin.]
Menschen, die sich am PC- Wahn nicht beteiligen können, werden abgehängt.
Wer weiß heute denn überhaupt noch etwas vom japanischen Wabi-Sabi/ gereift durch den Gebrauch- einfach, ländlich? In pervertierter Form finden wir davon etwas bei den Grünen.
– Mit siebzig Jahren leiste ich mir, was des Menschen liebstes Kind im 20. Jahrhundert war und immer noch ist, ein eigenes Auto. Und zwar ein nagelneues, selbst bezahltes Auto! Wie wunderbar: Klimaanlage, Sitzheizung, Licht im Kofferraum u.a.m. Auf der Stelle raste ich mit, ja lebenslang nie zuvor gefahrenen, 100Ps in eine Leitplanke und beschädigte mein Schmuckstück nicht unerheblich. Schnell erlebte ich, dass es nichts Besonderes war dieses schöne Gefährt. In unfassbar extrem kurzer Zeit, ich glaube es war ungefähr ein Jahr, waren nahezu ausschließlich nagelneue Autos mit glänzenden Felgen und einer hohen Ps -Zahl auf den Straßen. Menschen, die sich dies nicht leisten können, zumindest ein ähnliches Auto zu leasen, werden abgehängt.
Das von mir in den Staaten kennengelernte easy- going hat in Europa zügig Einzug gehalten. Mit Begeisterung kennengelernt und bedenkenlos zum eigenen Schrecken verwandelt. Alles, was ich beschrieb, ist bei uns seit etlichen Jahren Brauchtum. Mit der eleganten Leichtigkeit etlicher Einrichtungen hat sich gleichermaßen natürlich auch dessen Schattenseite etabliert. Und zwar nicht zu knapp. Man könnte davon ausgehen, dass eine gewachsene Zivilisation mit einer so feinsinnigen kostbaren kulturellen Historie wie Europa sie besitzt sich dem rasanten Fortschritt umsichtig oder auch skeptisch gegenüber verhält. Die U.S.A. haben eine junge Geschichte und sind vielleicht eher gefährdet, in die Horrorszenarien abzugleiten, die das easy- going mit sich bringt. Aber leider ist es nicht so. Die Sucht nach der Materie ist stärker als alle Vernunft und jegliches eigenes Geschichtsbewusstsein. Lieber morden wir die Erde, die Meere, die Wälder, die Tiere und die Menschen als dass wir unsere Vernunft einsetzten, von der wir doch seit der Aufklärung genügend zur Verfügung hätten.
Weitere, einerseits faszinierende und zugleich bedrohliche, Erneuerungen zu beschreiben wäre müßig, da die zunehmende Geschwindigkeit der Veränderungen auf unserer Erde nicht mehr von einem Laien beschreibbar ist. In dieser Unmöglichkeit zeichnet sich eine Art Ohnmacht ab. Die weitgehende Verabschiedung von der analogen Welt und deren Ablösung von der Digitalisierung steuert den Menschen in eine für ihn selbst nicht mehr nachzuvollziehende und beunruhigende Blase. Die unser Staunen erregende Schnelligkeit neuartiger Erfindungen, die bisher oft von einer Art überraschender Faszination begleitet wurde, macht inzwischen einer unheimlichen Erscheinung Platz. Die Gier des Menschen, beantwortet und gefüttert durch eine sprunghaft zunehmende Rasanz an Neuem, Erleichterndem und Überraschendem, auf welchem Gebiet auch immer, überwältigt unsere Wahrnehmung.
Das Gespür für das erhoffte easy- going macht mehr und mehr einem bekannten und man könnte sagen jetzt dem zeitgemäßen Phänomen Platz: Der Angst.
Angst treibt den Menschen auf der einen Seite zur Vernichtung und auf der anderen Seite in die Unterwerfung. Ehemals hatten die Vertreter der Kirche, selbst getrieben durch Schuld, Angst und Hass, gemeinsam mit bedenkenlosen Machthabern mit dem Konzept von Schuld und Sühne regiert. Obwohl sich die Menschen diesem grausamen Konzept unbewusst unterwarfen, hatten sie dennoch durch die Verinnerlichung im Gebet und im Respekt vor der Heiligkeit der Kirche als Stellvertreter Gottes noch eine Art Halt. Mit der Aufklärung wurde zunächst zurecht rational erkannt, dass die Kirche keine Heimat sein kann, und so wurde sich dem Intellekt zugewandt. Allerdings ist den Menschen dabei ihre lebensnotwendige Herzenskraft verloren gegangen und so sind sie, bis heute, im Verstand hängen geblieben. Da sich an dieser erschreckenden Tatsache im Mainstream nichts ändert, wird es, wie ehemals der Kirche, wieder wenigen Mächtigen gelingen, die Menschheit mit hohlen Tricks von ihrem eigenen Untergang zu überzeugen. Losgelöst von jeglicher Innerlichkeit sind wir als herzamputierter Gehirnmensch in der Angst gelandet und so komplett verfügbar geworden. An die Stelle des Herzens ist die blinde Sucht nach Materie getreten. Ihrem immensen Sog, der ja nichts anderes bedeutet als der Schrei nach Liebe und der verzweifelte Ruf nach der Mater, ist inzwischen auf brutale und katastrophale Weise nachgegeben worden, sodass die Zerstörung der Welt wahrscheinlich nicht mehr wieder ausgeglichen werden kann.
[Den hier sehr verkürzt dargestellten Zusammenhängen von Schmerz/ Sucht/ Kirche/ Angst/ Macht bin ich in zwei Büchern Ahnensog und Ahnensog 2 nachgegangen].
Das Argument für die derzeitige angebliche Bedrohung, der sich nahezu die gesamte Menschheit ausliefert, ist ein Virus. Er wird wie ein Taschenspielertrick eingesetzt. Über dieses wahnhafte Phänomen steuern Angst und blinder Hass auf eine Art Massenselbstmord zu, was die kluge und einsichtige Intelligenz lange schon prognostizierte.
easy- going 3
Die zweifelhafte Erfüllung der Sehnsucht nach dem Leichten, Hellen und Angenehmen begegnete mir in der beschriebenen Art immer wieder: besonders im Genuss von Schönheit auf unterschiedlichsten Gebieten, im Alltag, im Berufsleben, auf Reisen, beim Speisen, in der Liebe, der Freundschaft. Das zweischneidige Wesen des easy- going verharrte lebenslang in mir, wie ein unausweichliches Phänomen.
Besonders deutlich zeigt sich der doppelzüngige Charakter des easy- going beim Drogengenuss. Selbst das schönste Glas Wein birgt in sich dessen Einlösung. Genuss ruft nach Ausgleich, unausweichlich, meist eingelöst im sich anschließenden Schmerz. In dieser Tatsache verbirgt sich die Sucht. Ich musste irgendwann einsehen, dass selbst der Genuss-Sucht scheinbar fremde Beschäftigungen wie Sport, Naturliebe, schöne Kleidung, angenehme Gespräche u.a.m. das zwiespältige Wesen des easy- going in sich bergen. Vom Verzicht, der in der Kasteiung endet, wollte ich wiederum auch nichts wissen, da ich in ihm keine Lösung des Problems sah. Ein Beweis für diese Annahme sah ich z.B. in der Härte der preußischen Erziehung, in der Kühle genussfeindlicher Menschen, überhaupt in übertrieben eindeutigen Überzeugungen auf jeglichem Gebiet, die jeweils nur diese eine als lebenswert erachten und zulassen wollen. Verzicht verlangt in der Regel nach Groll, Kritik, Ausschluss, Rache und ist meist jenseits des Herzens angesiedelt.
Nun hatte ich das Glück, dass mir in meinem Leben eine ganz andere Art des easy- going begegnete. Schon früh erlebte ich Zustände jenseits von Rationalität und Sucht, die mich leicht und glücklich sein ließen.
In meiner Jugend lernte ich bei einer Reformpädagogin ostasiatisches Gedankengut kennen. Kaum berührte mich ein diesbezügliches Werk, wurde ich hell, wach und glücklich, sodass die Frage nach dessen Wert unausweichlich und unvergesslich in mir loderte. Ich lernte es kennen, z.B. ein japanisches Haiku zu lesen, diesem ohne Fragen und Erklärungen in Stille nachzuspüren um dann in dieser Stille den eigentlichen Wert des Poems zu erfassen. Diese jenseits jeder bis dahin erfahrenen Lehr- und Lernmethode berührte mich nachhaltig. Ich ging von den kleinen Sitzungen in einer Art Leichtigkeit heim, die mir für lange Zeit Maßstab für echte Glückserfahrung blieb. Hier lernte ich auch das Bi-Yän-Lu kennen, die Urtexte des Zen-Buddhismus, das I-Ging und die Bhagavad-Gita. Im I-Ging lese ich bis heute.
Die spätere Suche nach religiöser, hilfreicher Erfahrung in der Kirche und einem offenen Kloster,– ich war ja konfirmiert und kam aus einem christlich geführten Hause,– wurde enttäuscht, sodass ich der Welt meiner quasi-religiösen Erziehung komplett den Rücken kehrte. Es entstand in mir ein auf Dauer schwer zu ertragendes Vakuum.
Das meine Berufsausübung begleitende jahrelange Praktizieren östlicher Bewegungskünste löste zwar eine mich beflügelnde Lebens-Energie aus, hatte aber, im Gedenken an die ersten Erfahrungen mit dem Zen- Buddhismus, auf mich keine vergleichbare Auswirkung. Die sportliche, eher sehr körperbetonte Tätigkeit und der gesellige Charakter des Trainings standen, besonders auch durch die europäische Mentalität der Trainer, im Vordergrund, selbst wenn dies ursprünglich von den Altmeistern des Budo, z.B. beim Aikido, nicht beabsichtigt war.
In späteren Jahren fand ich zurück zum Tanz, meinem ureigenen Anliegen der Bewegungskunst. Es wurde mir leider in der Kindheit nicht erlaubt, aber der Tanz hat mich doch wieder gefunden. So tanzte ich etliche Jahre in den 5Rhythmen, woran ich die hellste Freude hatte und es bis heute praktiziere. Wer den Tanz kennt, der wohnt in Gott. Dieses Zitat von Rumi möchte ich an dieser Stelle erwähnen, da ich beim Tanzen Zustände hellster energetischer Befindlichkeit erleb(t)e, die unbedingt an das gesuchte easy- going erinnern. Rumi selbst tanzte sich 36 Stunden im Stück in die Erleuchtung hinein, was ich mir sehr gut vorstellen kann. Auch während der Arbeit in den Bildenden Künsten, sozusagen während des Malens, Zeichnens u.ä. tauche ich ganz ab in den Ozean der Stille und die Zeit steht still. Und dennoch:
Die unbewusste Suche nach der Leichtigkeit des Seins, nach dem spirituellen easy- going,wie ich es einmal nennen will, trieb mich weiter an. Immer wieder musste ich die Begrenztheit unserer Möglichkeiten leidvoll erfahren und mich zu ihnen bekennen. Selbst die Liebe zu den Menschen, zum Reisen in schöne Länder, zur Natur, zu den Künsten, zum Beruf und vielem mehr war in ihrer Begrenztheit für meinen Seelenhaushalt immer wieder enttäuschend und schwer zu ertragen. In der Erkenntnis, dass nichts und niemand auf dieser Erde dem Versprechen nach der schon erlebten und zurecht ersehnten Glückseligkeit standhält, lauerte ein ständiger Schmerz in meinem Innern. Auch dem Spirituellen zugewandte therapeutische Verfahren und die Gedanken von Erleuchteten konnten mich nicht im letzten überzeugen, da sich selbst feinste und intelligenteste Bemühungen am Ende doch als Ich- Konzepte entlarven ließen.
An dieser Stelle möchte ich das Lebenswerk von B. Hellinger herausheben. In mehreren Aufstellungen, ein von ihm entworfenes Verfahren, das seiner Arbeit am und mit Menschen zugrunde liegt, erlebte ich, wie geprägt und fest verankert wir an Leib und Seele durch das Konzept des abendländischen Kirchendogmas sind. Am Ende seines langen Lebens als systemischer Psychotherapeut kam er zu folgender Aussage: Gibt es etwas lebensfeindlicheres als die Vorstellung von Schuld und Sühne? Das ganze christliche Abendland wird von einer Institution in Knechtschaft gehalten, die ihre Macht aus der Vorstellung von Schuld und Sühne bezieht. Diese Institution heißt Kirche. [B. Hellinger, Die Kirche und ihr Gott, S. 30]
Als ehemals passionierter, missionierender Kirchenmann, ist Hellinger letztlich zu einer derartig radikalen Meinung gelangt. Im erkennenden Bewusstsein dieses umstürzlerischen Gedankenguts änderte sich bei mir grundlegend die Sehweise auf das eigene und vor allem auch auf das Leben in Familie, Politik und Gesellschaft. Ich erlebte in den Aufstellungen an mir, auch an und gemeinsam mit anderen, Bewusstseinszustände, die in ihrer Eigenheit an die ersehnte Leichtigkeit des easy- going erinnerten. Eine nicht zuvor gekannte Qualität meiner inneren Befindlichkeit durch das Abwerfen bleischwerer seelischer Gewichte konnte sich entpuppen und entfalten. Wir nannten es Verstrickungen lösen. Eine optimistische Transparenz meines psycho-physischen Erlebens ermöglichte mir einen ganz neuen Blick auf das Dasein.
In der Zeit um die Jahrhundertwende entstanden diverse Aufzeichnungen und Lehren von Menschen, die Erleuchtung erfuhren. Z. B. Eckhart Tolle, Bayron Katie, Gangayi, Om. C. Parkin. Ihre Schriften und Lehrgebäude faszinierten und erregten uns sehr und wir gaben uns ihrem jungen Denken vollkommen hin. Das spirituelle Gedankengut aus dem östlichen Raum nahm auf breiter Basis Einzug in das christliche Abendland. Endlich! Lange zuvor, im Laufe des gesamten 20. Jahrhunderts wurde diese Bewegung von großen Europäern vorbereitet, wie von Richard Wilhelm, der das I-Ging übersetzte, von A. Watts, E. Herrigel, D.T. Suzuki, K. Graf Dürckheim u.a. m. Im späteren 20. Jh. erlebte Europa eine intensive Bewegung in Richtung Osten. Etliche junge Menschen folgten dem Ruf nach Indien. Große, herrliche, spirituelle Meister wie Osho, Papayi, Nisargadatta, Balsekar u.a. schenkten uns ihre radikalen lebensbejahenden Weisheitslehren. Wir waren begeistert und tief bewegt, wie zuvor eher in persönlicher Einsamkeit gelesene Schriften mit einem Mal in veränderter Form in unseren modernen Alltag drangen.
So begegnete ich eines Tages einem Stapel Hefte des Advaita vedanta. Blitzartig getroffen setzte ich mich in die Küche und las den ganzen Stapel, Heft für Heft, Artikel für Artikel, Satz für Satz, Wort für Wort, von der ersten bis zur letzten Seite. Ich konnte nicht aufhören und wusste, ja hier ist es, was ich suche, hier werde ich bleiben. Advaita, die Lehre der Nondualität, des Soseins, der Nichtzweiheit, wurde dann mein geistiger Kompass. Gespräche des Weisen vom Berg Arunachala von Ramana Maharshilegte ich zunächst ein Jahr ungeöffnet zur Seite. Aber dann, plötzlich glühend, las ich darin täglich und lese in ihm bis heute.
Allerdings bemerkte ich mit den Jahren, dass ich trotz entschlossener Hingabe und fester Überzeugung von der Wahrheit dieser unumstößlichen Weisheitslehre selbst hier immer noch festhing. Nicht selten war ich tief verzweifelt, da ich spürte, dass die Quelle nicht weit entfernt ist, aus der ich trinken soll und auch von Herzen will. Ich wusste, dass der Lehre zwar nichts fehlt, dass ich aber eine weitere Unterstützung brauche, um mich ihr gänzlich hingeben zu können.
easy- going 4
Ich bin klein,
mein Herz ist rein,
kann niemand drin wohnen
als Jesus allein.
Dieses Gebet sprach ich mit gefalteten Händen allabendlich als kleines Mädchen. Ich nahm es sehr ernst und hatte dabei das schönste Empfinden. Als ich älter wurde habe ich dann mit eigenen Worten weiter gebetet. Ich richtete meine Sorgen, meine Wünsche und meinen Dank an Jesus, bevor ich mich der Nacht übergab. Es war ein Ritual, das ich von Herzen liebte. Über meinem Bett hing ein Relief. In eine etwa Din A4-große Holztafel im Auftrag meines Vaters vom Tischler handgeschnitzt begleitete mich mein Taufspruch: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; Du bist mein! [Jesaja 43]
Aus dieser mich heute berührenden Erinnerung ist die Einleitung zum Ende der Geschichte meiner lebenslangen Suche nach dem spirituellen easy- going geworden. Die Suche endet in EIN KURS IN WUNDERN.
Im Sommer 2019 berichtete mir mein Gefährte von einem Fund. Er war sehr angetan und meinte, es wäre eine „Granate“ und könnte für uns beide das Leben verändern. Nicht schon wieder dachte ich. Ich wollte nichts mehr von irgendeiner rettenden, alles bisher gewesene überbietenden Idee, Medizin o.ä. hören. So ging es mir übrigens häufig, bevor ich ich bereit war, mich einer neuen, meinen Seelenhaushalt ergreifenden Erneuerung zu widmen. Allein der Titel gefiel mir überhaupt nicht. Von Wundern wollte ich nichts wissen. Dann erfuhr ich, dass es sich um einen gechannelten Text handeln würde, und damit wollte ich schon gar nichts zu tun haben.
Als alte Advaita– Schülerin und Krishnamurti-Anhängerin war ich nur von eindeutigen Möglichkeiten zu überzeugen, die zu spiritueller Erkenntnis führen könnten. Allerdings hatte ich seit Längerem ein Lieblingsbuch, dessen Inhalt von Maria- Magdalena diktiert war, und das war eben auch gechannelt. In dieser Schrift spricht Maria- Magdalena vom Verbrechen der Kirche, die aus der Sexualität eine Sünde gemacht und damit der Menschheit eine der höchsten Quellen spiritueller Erkenntnis geraubt habe.
Zwei Frauen, Maria, die Mutter Jesu, Inbegriff der Liebe und Maria- Magdalena sind für mich die wunderbarsten weiblichen Wesen, denen meine ganze Liebe gilt und an die ich mich wende, wenn ich Hilfe brauche. Maria- Magdalena, liebende Ehefrau von Jesu, weit entfernt vom Bild, das die Kirche aus ihr gemacht hat, war eine hoch spirituelle Frau. Und jetzt hier ein Text von Jesus? Ich wurde neugierig.
Zudem war da dieses ständige Rumoren, das mich umtrieb und niemals losließ: Ich komme nicht weiter. Es muss etwas Neues her. Ich finde keinen Lehrer hier im Westen. U.a.m. Und so habe ich immer wieder einmal das dicke Buch EIN KURS IN WUNDERN in die Hände genommen. Mein Gott, welch ein Wälzer. Ich dachte Mouna, das ewige Schweigen, sei die Sprache der Weisheit, wie ich von Ramana Maharshi lernte? Selbst das sprachgewaltige Werk von Krishnamurti kritisierte ich innerlich wegen seiner ungeheuer vielen Worte, wegen derer es auch von anderen spirituellen Meistern kritisiert wird. Und nun dieses umfangreiche unglaublich dicke, schwere, große Buch mit dieser enormen Betonung auf Sprache! Nein. Da mein Gefährte aber nicht locker ließ, habe ich das Buch immer wieder einmal in die Hände genommen.
Und eines Tages hat es dann gezündet. Kenneth Wapnick, der für die Veröffentlichung und Verbreitung dieses Werkes maßgeblich verantwortlich ist, hat mich in seiner Einführung zu EIN KURS IN WUNDERN berührt, getroffen und überzeugt. Eines Abends als ich zum ersten Mal in diesem einfachen Taschenbuch las, traf mich der Blitz. easy- going hatte mich gepackt. Ich legte das Buch auf mein Herz, atmete tief und wurde ganz leicht. Hingabe geschah. Ja das ist es. Hier bleibe ich.
Nun begann eine lange Zeit des Kennen-Lernens dieses umfassenden und umfangreichen Werkes, das nicht einfach in wenigen Worten zu skizzieren ist. Entscheidend für meine Fürsprache ist, dass EIN KURS IN WUNDERN mich im Tiefsten trifft und dort abholt, wo ich einst verzweifelt geflohen bin, da ich mich wie eine Mörderin empfand: Ich löste mich zweimal von der christlichen Kirche in meinem Leben und hatte jeweils das Empfinden einer schweren Missetat dabei. Nun will ich auf gar keinen Fall diese beiden Entscheidungen zurücknehmen, da die Kirche Jesu Lehre missbraucht und verdreht hat. Dieses Werk strebt im Grunde dasselbe an wie die Lehre des Advaita, nur dass es uns dabei mit unseren christlichen Wurzeln berücksichtigt. Und hier ist die wunderbare Chance begraben:
In EIN KURS IN WUNDERN spricht Jesus persönlich zu uns, nimmt uns an die Hand und führt uns ins Himmelreich, das heißt zur Freiheit. Ein Weg, der in die Nondualität führt, auf dem ganz einfachen Weg der Hingabe und der Erkenntnis, dass wir keine getrennten Wesen sind. Allerdings fordert es unsere Entscheidung, Ja zu sagen.
Wir lernen in diesem Buch kennen, welcher selbst gemachten Hölle wir uns lebenslang aussetzen und welche Möglichkeiten wir in uns bergen, dieser Hölle zu entkommen. Dass ausgerechnet Jesus uns diese Hilfe anbietet, ist eine derart große Gnade, dass ich gar nicht weiß, wie ich es besser ausdrücken kann, als dass ich über diese Freude schweigen will. Jegliche Einwände, die dieser Akzeptanz entgegen stehen, schmelzen im Licht der Liebe zu diesem Werk. Die anspruchsvolle, leuchtende, manchmal messerscharfe Sprache von Jesus bewegt sich eigentlich jenseits meiner Möglichkeit für sie beschreibende Worte zu finden. Hier mischt sich hohe Intelligenz mit einem warmen Herzen. Feinsinnig und klug, zugleich poetisch und radikal, auch nicht ohne Humor. So bin ich am ehesten vielleicht an Shakespeare erinnert.
Hier endet die Geschichte meiner Suche nach dem spirituellen easy-going und ich werde mein Leben lang nicht damit aufhören, mich in Dankbarkeit dem EIN KURS IN WUNDERN hinzugeben. Dass meine zweifelsfreie Bereitschaft für EIN KURS IN WUNDERN in die Jahre 2020/ 2021 fällt, ist in meinen Augen absolut kein Zufall. Der Heilige Geist hat meinen Gefährten und mich wunderbar passend zu diesem Zeitpunkt mit dem Werk in Berührung gebracht. So können wir im Schoß seines geistigen Gehalts leicht dem Wahn dieser Zeitenwende begegnen. Groll, Hass und Angst sind in der letzten Zeit ins Unermessliche gewachsen und haben die Menschen des gesamten Globus erfasst. Möglicherweise hätten wir es ohne den Halt unserer neuen Liebe nicht vermocht, mit diesem lebensfeindlichen und Leben auslöschenden Wahn umzugehen.