Tagebuchblatt 20. Juni 2019
Zu meinen ersten Blog– Einträgen vom April und Mai 2019:
Das hab ich nun davon. Habe mir also auch endlich einen Blog eingerichtet, in dem ich der Welt, taufrisch und sooft ich möchte, mitteilen kann, was ich denke, beabsichtige, verfluche, mir wünsche etc. Zu dieser Art, nun für alle Welt lesbaren und beurteilbaren, Mitteilungen muss ich natürlich möglichst nachhaltig stehen, klar. Zwei dieser ersten Einträge waren Verweise auf zwei Ausstellungen eigener Bilder. Sie erscheinen mir heute, besonders in ihren digitalen Abbildungen, banal, lieb und gefällig. Dazu will ich mich äußern.
Die Themen Himmelblau und Schwarze Rose beziehen sich auf das Dahinter. Also nicht auf Dies und Das, den schönen blauen Himmel, die hübsche Rose in meinem Garten, sondern auf Neti Neti, Es ist nicht Dies, Es ist nicht Das. Diesen Anspruch derart zu benennen, ist brenzlig genug, als dass ich mir nicht den Kopf darüber zerbreche. War es denn nicht schon seit Ewigkeiten das Anliegen ernst zu nehmender Kunst, auf die Wahrheit zu verweisen und nicht nur z.B. auf eine Obstschale, ein Gesicht oder einen politischen Tatbestand?
Die bahnbrechenden Möglichkeiten der klassischen Künste, die uns geläufig und begreifbar sind, sind ausgereizt. Das ist allerorts zu sehen und zu hören. Was die Malerei angeht, haben die Künstler deren immanenten Aspekte sämtlich ausgelotet. Abzulesen ist diese Beobachtung z.B. an den häufig auf Event-Charakter ausgerichteten Ideen für größere Ausstellungen. Ich nehme mir heraus, eine abnehmende Qualität zeitgenössischer künstlerischer Arbeiten der klassischen Künste wie z. B. der Malerei festzustellen, was sich meines Erachtens auch deutlich in der einschlägigen Kunstpresse niederschlägt. Etliche Kunstwerke, wenn es denn noch welche sind, dienen zunehmend eher der Unterhaltung als dass wir Anstöße für das Bewusstsein von Freiheit und Liebe durch sie erhalten. Wer sind heute eigentlich die Bahnbrecher wie einst Goya, van Gogh, Rembrandt, Modigliani u.v.a.m., auch Künstler des 20. Jahrhunderts vor und nach den zwei Weltkriegen, wie Pablo Picasso, Max Beckmann, Julius Bissier, Wols, Schumacher, Richard Serra u. v. a.m., oder meinethalben auch Louis Morris, Damien Hirst, Basquiat, u. a. m.? Denke ich allerdings z. B. an Christoph Schlingensief oder Julian Schnabel bin ich gern bereit meine Fragen zu überdenken. Vielleicht gab es ja immer schon nur wenige Bahnbrecher? Und die Künste haben weiterhin eine Chance zur Bewusstseinsbildung der Menschen, was ich mir natürlich wünschte?
Sind all die im 21. Jhdt. aktuellen, wohlgemeinten –auf die Besorgnis erregenden gesellschafts-politisch desaströsen Zustände verweisenden– Werke der Bildenden Kunst mehr als berührend? Sind sie zukunftsweisend oder gar auf die Freiheit des Einzelnen gerichtet? Kommen die vielen politischen Kunstwerke unserer aktuellen Zeit denn aus einer tiefen schöpferischen Quelle, die sich hervordrängt und auf die Veränderung von Welt ausrichtet oder sind sie nicht häufig eher eitle wetteifernde gedankliche Konstrukte, lediglich in eine bildnerische Form gegossene Vorstellungen von einer besseren Welt? Das 21. Jahrhundert ist eine Zeit ständiger Veränderungen von rasender Geschwindigkeit auf allen Gebieten. Können wir uns da noch mit dem uns bekannten begrenzten Vorstellungsvermögen engagieren? Wie können wir uns denn um das Wohlergehen des Einzelnen bemühen, wie an der Rettung der Erde beteiligen? Was kann ich tun? Wie denn? Sollen wir nun ohnmächtig die Hände in den Schoß legen? Nein, natürlich nicht. Das war noch nie und wird auch niemals die Lösung sein. Mir scheint, dass sich in diesen bisher so gänzlich neuartigen Zeitumständen, in denen sich Zerstörung und Angst derart verbreiten, dass sie die Menschheit zu einer Art Massenselbstmord führen, auch eine Chance zum Erkennen und zum Handeln zeigen will. Natürlich sollen und können sich Künstler immer, wie z.B. damals Picasso mit Guernica, politisch ins Zeug legen und den Mund aufmachen. Aber ihr eigentlicher Auftrag geht darüber hinaus. Ich möchte, wie ich es in beiden oben erwähnten Ausstellungen anstrebte, auf Die schwarze Rose oder Den entgrenzten Himmel verweisen, worauf es ja immer schon ankam. Können meine verbalen und bildnerischen Äußerungen andere berühren und still werden lassen? Das Licht dieser so erfahrenen Stille wird heller leuchten als die Sonne und radikaler brennen als das Feuer.