Tagebuchblätter 2015-2019
Taschenbuch, 322 Seiten
Größe 21,5x 2,4x 13,5cm
Verlag: Books on Demand, Auflage 1. Sept. 2020
ISBN: 9 783751 931076
Vorwort
Kein Buch von Tag zu Tag, nach Themen, Gedanken, Ereignissen oder Intervallen regelmäßig gefüllt. Aber doch ein Tagebuch. Erfahrungen eines bestimmten Tages zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Jahr. Nicht immer, eher nur wenn es brennt. Dann werden Einfälle und Beobachtungen im diversen Charakter eines Tagebuchs nieder geschrieben und können sich nun, in ihrer neuen Gestalt auf dem Papier abgelegt, beruhigen, entspannen und sterben. Die Tagebuch-Blätter sind nicht homogen, nicht leicht zuzuordnen. Sie entstehen als Empfindungen oder Reflexionen von Erlebtem. Alltägliche Eindrücke, kleine und größere Begebenheiten, die mich treffen, ängstigen, erregen, erfreuen, amüsieren und mich nicht loslassen, rufen mich auf den Plan. Der Grad ihrer Beunruhigung gibt dann den Ausschlag, ob sie mich zum Schreiben auffordern. Das Drängen aus dem Innern hält mich wach, bittet mich, es in eine Form zu gießen, zu zeichnen, zu malen, zu dichten, zu tanzen oder eben, wenn es passt, zu schreiben. Der Durst nach geistiger Freiheit, die Liebe zu den Künsten und zur mystischen Rose ist in meiner Natur. Immer wieder ergreift mich ein Verlangen, Geschehnisse aufs Korn zu nehmen, sie auszuloten, sie zu attackieren oder zu entschärfen, zu filtern, ihnen den Schneid abzuluchsen, sie zu umtanzen, zu besingen, poetisch zu erhöhen; oder auch sie einfach nur, wie sie eben sind, zu entlassen.
In meinen Tagebuchvideos von 2007-2015 ging es mir wie in diesen Schriftstücken um die Lust, mich zu äußern, zu sprechen, um Anhörung und Verarbeitung mich irritierender Vibrationen, um Schmerz und Liebe, um freundliche sowie tosende Gedanken, um überschäumende Glücksversuchungen. Ich nannte diese Begleiter cinephile Selbstgespräche.
Die Tagebuch-Blätter ähneln diesen gefilmten Selbstgesprächen in ihrem unsystematischen, sehr persönlichen, oft bruchstückhaften Charakter. Es wird nichts Geheimnisvolles verborgen, auch nichts absichtsvoll preisgegeben. Die Tagebuch-Blätter sind kein Kunsttagebuch, kein Traumtagebuch, kein Reisetagebuch, kein Tagebuch der Erinnerung.
Ähnlich den Blättern eines Baumes gleicht kein Blatt dem anderen und doch sind alle von derselben Art, ungleich groß, vielfältig in Form und Farbe, unterschiedlich geprägt durch ihre jeweils ganz eigene Geschichte. Im Zu-Boden-Tanz lösen die Herbstblätter sich leicht vom Baum und lassen sich vom Wind tragen. Aber auch vom Sturm gerissen oder aufgewirbelt schweben sie am Ende bedingungslos fallend zur Erde. Die Blätter unserer prachtvollen Bäume sind für mich das Inbild des Sterbens. Sie entstehen zeitgemäß in zarter, betörender Schönheit, spenden uns Licht, Schatten und Sauerstoff, scheiden in üppiger bis aggressiver Färbung und verwesen dann in Stille. Ein Ende des Getreten-Werdens oder des sanften Vergehens in Unauffälligkeit. In Anlehnung an ihren Spirit notiere ich meine Beobachtungen in aller Unregelmäßigkeit eben als Tagebuch-Blätter.
Ein Zitat aus dem letzten Kapitel meines Buches Ahnensog 2 soll dieses Vorwort beenden:
Dem hochgespülten Schlamm schaute ich schreibend ins Auge. Solange bis er versengt war. Nun ruht die Asche all der verbrannten Rätsel auf dem Friedhof meiner seelischen Verbrennungsanlage. Vibhuti. Heilige Asche. Sie ist das, was übrig bleibt, wenn alle Schlacke vom Feuer der Erkenntnis verbrannt ist. Auch diese Asche wird einmal vergehen, ebenso wie vom Kampfer nichts übrig bleibt, wenn er verbrannt ist.