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Tagebuchblatt

•  Tagebuchblatt   •   17. Juli 2023  •   Tod und Leben und der Schatz der Wahrheit  •

Am 11. Juli versprach ich mir am Ende meines letzten Tagebuchblattes einen erneuten schriftlichen Versuch über das mich seit längerer Zeit bedrängende Phänomen des Alters. Die Tatsache der begrenzten Dauer des stofflichen Lebens wird von uns meisterhaft verdrängt, über einen langen langen Zeitraum. Wir tun so, als gäbe es kein Ende. Und in der Tiefe lauert beständig das Wissen um diese Lüge. In Form von Angst. Die Ego betonten Künste unserer Projektion haben uns im Griff.

Obwohl ich mich seit etlichen Jahren mit spirituellen Lehren befasse, die verkünden, dass es keinen Tod gibt und dass wir nicht unser Körper sind, wird dieses Wissen mit dem heran nahenden Ende des eigenen stofflichen Daseins nur allzu schnell wieder über Bord gekippt.

Wir Frauen tun uns besonders schwer, da das aufrechte Selbstbewusstsein der Frau immer noch stark an die Formen der äußeren Attribute gekoppelt ist. „Sie sieht immer noch so gut aus“. „Sie ist immer noch so fit.“ Welcher Verrat. Seit längerer Zeit verbringe ich viel Zeit mit erheblichem Aufwand für mein Äußeres. Es wird versteckt, geschminkt, gefärbt, gekauft, neu probiert u.a.m. – alles um des guten Aussehen willens. Wer mag denn schon faltige, fleckige, behaarte anstelle von junger, glatter Haut? Wer liebt denn einen bleiernen gekrümmten anstelle eines aufrechten eleganten Gangs? Wer hört denn gern schwer und nimmt nicht mehr fein und differenziert wahr? Wer mag es denn an sich selbst, dass er alles langsamer und mühseliger in Angriff nehmen muss? Plötzlich werden geliebte Reisen zu Wagnissen, Autofahrten zu fragwürdigen Risiken.…?

Während ich schreibe, mahnt mich in der Tiefe das Wissen um die Unsinnigkeit all meiner soeben gemachten Äußerungen. Ich bin nicht mein Körper. Es gibt keinen Tod. Es ist nur unser stoffliches Dasein, das beendet wird. Und auch das ist eine Illusion. Wir nennen es Tod. Obwohl wir dieses Ende nicht kennen, haben wir eine Höllenangst vor ihm. Wir leben in einer Welt von Maya. Ich kann und will nicht alles aufzählen, was mich belastet. 

Aber es belastet mich doch, ständig!

Ich lege mir neuerdings zeitweise abends meine Kleidung für den kommenden Tag bereit, damit sie in die zu erwartende Situation passt und ich eine gute Figur mache. Ich führe exakt Kalender am Pc in punkto Termine und Ereignisse, und wenn sie noch so klein sind, wie z.B. Abholen vom Schneider u.ä. Es lauert jetzt schon wieder in mir, während ich schreibe, wann ich mit der Zubereitung des Mittagessens beginnen soll, das ich mir im einzelnen doch bereits nach dem Frühstück überlegte. Reflexionen für die Meisterung des Alltäglichen nehmen immer mehr Zeit in Anspruch.
Stress. Wie habe ich es nur vor noch garnicht so langer Zeit alles geschafft?

Und dann meine künstlerische Produktion! 
Himmel, welche Schaffenskraft hat mich in den ersten 10 Jahren dieses Jahrhunderts beflügelt, ohne dass ich es im Geringsten reflektierte. Auch die gesamten Künstlerbücher zu Ein Kurs in Wundern der letzten Jahre sind wie im Flug entstanden. Die großen Arbeiten aber auf Leinwand nehmen ständig ab. Eine gleichzeitig brennende Sehnsucht nach Malerei. Groß, tanzend, am Boden. Mich durchzieht Qual, wenn ich dieses aufschreibe. Besonders auch beim Denken ans Tanzen. Viele Jahre tanzte ich dynamisch, fliegend in Liebe. Die Musik bestimmte meine Schritte, meine Bewegungen und Figuren, trug meinen Körper, löste ihn auf. Schmerz. Bin jetzt mit Mühe gerade noch auf dem Weg zum Schwimmen. Welche Jahre des Verzichts liegen hinter mir – und vor mir. Ja natürlich kann ich noch im Zimmer tanzen oder kleine Zeichnungen machen, auch hin und wieder noch auf Leinwand arbeiten… 

Es ist ein Zwang in mir, der mich zum Ende des stofflichen Daseins hintreibt und mich mit Verboten belegt. Sie rufen in mein Ohr: Verzicht, du musst aufgeben, das Leben ist begrenzt. Meine Seele wird bleischwer.

Nun höre ich von Jesus in seinem wunderbaren Diktat, Ein Kurs in Wundern, dass all das, was mich gerade permanent umtreibt und im Stress quält, mit einer einzigen Entscheidung von mir beendet werden kann. Und dass ich es selbst bin, die sich all diesen Stress des Irrsinns auferlegt. Es wird in diesem Buch EKiW hergeleitet und ist rational nachzuvollziehen.
Aber spüren tue ich diese Wahrheit heute nicht.  

Und dann will ich mich in den Garten setzen, meine soeben ausgedruckte Seite lesen und korrigieren, mache mir einen Café und… da ruft es in mir Nein. So geht es nicht. Führe dich nicht in die Irre. So gelangst du in den Wahnsinn und schließlich in die von dir gewünschte Falle des Todes.
Hör auf Sigrid Maria.

Es ist nicht entscheidend, ob du viele oder wenige große Bilder gemalt hast. Es ist nicht von Bedeutung, ob deine Werke gesehen, begehrt und geliebt werden oder ob sie gegen die Wand lehnen. Ihre Energie lebt doch. Das stoffliche Dasein ist belanglos.
Wie schwer! Nein es ist nicht schwer. Der Glaube an den Tod reißt dich in die Tiefe der Depression und du wünscht dir am Ende nur noch, verscharrt zu werden. Deine Sorgen und Ängste sind eine Abwehr der Wahrheit. Die Wahrheit kennt kein Leid, keine Angst. Höre auf, deine kleine Existenz zu glorifizieren, Menge und Differenzierung deines Tuns zu bewerten. Wenn die scheinbare Rettung in der kleinen Liebe beginnt zu bröckeln, verstärken sich zugleich deine Ängste und du wirst zum Sklaven des Tuns.  
Aber du brauchst nichts zu tun. 

Vertrauen ist das Zauberwort. Gib dich hin und vertraue.
Es gibt nichts zu fürchten.

Du darfst dich ausruhen, und in Liebe auf dein Leben schauen, auf die blühende Blume in deinem Garten und auf ihr Vergehen am Ende des Tages. Es genügt.
Alle Heilung ist eine Befreiung von der Vergangenheit. Wir schmieden uns mit Ketten an die Vergangenheit, sprechen von den Toten, als wären sie wesentlich für unser Wohlergehen von Bedeutung. Selbst das längst verschollene Lied ihrer Existenz berührt weiterhin unser Gemüt in einer zwanghaften Art, die wir uns zum Verhängnis hoch stilisieren. 
Die Vergangenheit existiert nicht.

Ohne die machtvolle Entscheidung zu dieser Sehweise werden wir nicht fähig sein zur Erkenntnis zu finden. Das Verlangen zu dieser Einsicht, das mich zu meinem Glück immer wieder überkommt, um meine Seele zu glätten und mir Trost zu spenden, begleitet mich seit früher Jugend, als ich die Haikus kennenlernte, die mir von der Leere etwas zuraunten, die alles und wesentlich mehr beinhaltet, wovon wir träumen und von der Begrenzung des verweslichen Körpers, die nichts bedeutet. Diese Erkenntnis wartet weit jenseits dessen, worum du dich individuell zu kümmern hast.
Die Süße des Verzichts ist nun dein Maßstab für die kommenden Jahre. So kannst du dem Schatz der Wahrheit entgegen wachsen.